Warum werden manche Identitäten der NSU-Opfer (z.B. Kurd*innen) nicht benannt und welche Folgen hat das?

Rassismus entmenschlicht Menschen. Ein Teil davon ist es sie nicht mehr als Individuen mit eigenen Persönlichkeiten, Geschichten und Identitäten zu sehen, sondern sie zu einer einheitlichen Gruppe zu machen. Das passiert auch beim NSU-Komplex häufig, wenn ausgeblendet wird wer genau die Menschen waren, die verstarben. Das äußert sich zum Beispiel daran, dass die Mehrheit der Deutschen nicht einmal die Namen der Opfer kennt. Und es äußert sich auch daran, dass in Deutschland häufig so getan wird als hätten alle rassistisch motivierten Taten des NSU Menschen türkischer Herkunft getroffen. Dabei wird ausgeblendet, dass unter den Opfern auch Menschen kurdischer, griechischer und iranischer Herkunft waren.

Manche dieser Identitäten, die unsichtbar gemacht werden, sind zusätzlich von weiterer spezifischer Diskriminierung und Gewalt betroffen.

Menschen kurdischer Herkunft erfahren beispielsweise zusätzliche Diskriminierung speziell als Kurd*innen. Kurd*innen sind in mehreren Staaten Minderheiten und erleben dort Gewalt und Ausgrenzung. Ihnen werden ihre Rechte abgesprochen und es wird versucht sie mit Zwang zu assimilieren. Wenn ignoriert wird, dass unter den Opfern des NSU auch Kurden waren, wird dieser gewaltvolle Versuch Kurd*innen mit Zwang zu assimilieren sogar beim Gedenken wiederholt. Einige der kurdischen Opfer des NSU mussten vor genau dieser anti-kurdischen Gewalt aus der Türkei nach Deutschland fliehen. Deswegen sollten sie auf keinen Fall entgegen ihrem Willen als Türken bezeichnet werden

Diese anti-kurdische Diskriminierung passiert in Deutschland unter anderem in einigen türkischen Communities. Zudem findet sie statt als Kriminalisierung kurdischer Bewegungen und Aktivist*innen durch deutsche Behörden und Medien, wenn sie sich für ihre Rechte und gegen diese Diskriminierung einsetzen. Als also die Familien der kurdischen NSU-Opfer von Polizist*innen verdächtigt und verfolgt wurden, war dies auch eine Fortführung dieser Kriminalisierung. Der NSU-Komplex kann daher nur in Gänze verstanden werden, wenn seine spezifisch anti-kurdischen Dimensionen berücksichtigt werden.

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